Bhakti-yoga

Bhakti

Die folgende Beschreibung von Bhakti hat unsere große Yogaschwester Malati (www.jiva.org) angefertigt und uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Lediglich der erste Teil wurde von mir mitgestaltet und leicht an die Bedürfnisse des Neulings angepasst.

Das Wort Bhakti rührt von der Silbe bhaj her und bedeutet „verehren“ oder „Dienst darbringen“. Konkret ist damit der Dienst zu Gott (Bhagavan Shri Krishna) und Seinen Verehrern gemeint, die meist als Devotees, Krishna-Bhaktas, oder auch als Vaishnavas bezeichnet werden.

Jeder sieht sich auf dem Pfad der Bhakti sowohl als Diener Krishnas als auch als Diener aller anderen Devotees. Dieses Verständnis spiegelt sich in den uns allen gemeinsamen Nachnamen wider, derer es in unserer spirituellen Großfamilie genau zwei gibt, nämlich Dasa (Diener) und Dasi (Dienerin). Weiter betrachtet sich ein Devotee sogar als Diener aller Menschen, ja aller Lebewesen, die er sämtlich als Geschöpfe und Teile Krishnas sieht und mit denen er daher entsprechend achtsam umgeht.

Krishna Ernährung vegetarsich

Und weil es mir an dieser Stelle gerade passend in den Sinn kommt: Krishnas Devotees leben so gewaltlos wie nur irgend möglich, ernähren sich daher vegetarisch, meist aber nicht vegan – Krishna liebt nämlich Milch, Butter und süße Milchprodukte über alles 🙂

Bhakti kann von jedermann und jederfrau praktiziert werden, unabhängig von Herkunft, Bildung, Alter, Geschlecht und Staatsangehörigkeit, etc.

Unser Weg zur Vollkommenheit ist Bhakti, und unser höchstes Ziel ist es, mehr Bhakti zu erlangen. Mit anderen Worten, Bhakti ist der Weg und auch das Ziel, und einmal begonnen, wird niemand den Pfad der Bhakti jemals mehr aufgeben wollen – sofern er ihn unter richtiger Anleitung praktiziert, und sofern er verstanden und verwirklicht hat, was Bhakti wirklich ist.

Bhakti unterscheidet sich nämlich von allen anderen Pfaden grundsätzlich darin, dass es eine komplette Revolution des Seins ist.

spirituelle Schulen
Bhakti monastischer Pfad

Andere spirituelle Schulen, wie Yoga oder der monistische Pfad der Unpersönlichkeitsphilosophen (Advaita-Vedanta) streben zwar in der Regel nach Befreiung des Selbst aus dem Kreislauf von Geburt und Tod (was allerdings ohne die Hilfe von Bhakti nicht möglich ist), bleiben aber ego-zentriert.

In der Bhakti hingegen steht das Objekt der Liebe und Verehrung, Bhagavan Shri Krishna, im Mittelpunkt.

Daher verändert sich unser Ego in seinen Grundfesten, denn nun dreht sich nicht mehr alles um uns. Das ist nur durch Bhakti möglich, denn im materiellen Leben geht es primär um unseren eigenen Vorteil, unsere eigene Befriedigung und unser eigenes Glück. Durch das Praktizieren von Bhakti bekommen wir das Ego eines Dieners Krishnas.

Das ist das einzige, was die spirituelle Seele wirklich und dauerhaft zufrieden stellen kann, denn es ist unsere letztendliche Bestimmung. In diesem Dienst erfahren wir mehr Glück und Erfüllung, als wenn wir versuchen, unsere eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.

Krishna gibt uns mehr zurück, als wir Ihm geben können. So kommt es zu einem liebevollen Austausch zwischen Gott und Seinen Devotees, der niemals endet.

Letztlich ist dies etwas, was man selbst erfahren muss, um es zu verstehen.

Wie erlange ich Bhakti?

Shri Satyanarayana Dasa Babaji

Durch den Guru. Es gibt keinen anderen Weg, Bhakti zu erlangen, als durch jene, die Bhakti selbst besitzen, denn Bhakti schlummert nicht bereits in der Seele.

Von manchen New Age-Philosophen und anderen Gruppierungen wird gerne die Meinung vertreten, „Alles ist bereits in dir, „Du bist dein eigener Guru“ oder „Du musst es nur aus dir herausbringen“. Dieser rein spekulativen Auffassung schließen sich die Weisen Indiens nicht an.

Shri Jiva Gosvami (1516-1608), der verwirklichte Vaishnava-Gelehrte und Namenspatron des von Shri Satyanarayana Dasa Babaji gegründeten Jiva Instituts für Vaishnava-Studien (www.jiva.org), hat die Wissenschaft der Bhakti in seiner systematischen Abhandlung Shat-sandarbha in allen Einzelheiten erklärt und beschrieben.

Shri Jiva Gosvami

Shri Jiva Gosvami

Diese Bücher, die Babaji mit seinem eigenen Kommentar ins Englische übersetzt hat, bilden die Grundlage der Gaudiya Vaishnava-Philosophie. Diese wurde von Shri Chaitanya, dem Begründer der Bhakti- oder Krishna-Bewegung, im 16. Jahrhundert gelehrt und praktiziert. Shri Chaitanya wird von den Gaudiya Vaishnavas als Inkarnation Bhagavan Shri Krishnas selbst akzeptiert, der als Sein eigener Devotee erschienen ist, um Liebe zu Krishna zu kosten und weiterzugeben. Er war es, der das Chanten das Hare Krishna Maha-Mantras gelehrt und popularisiert hat:

hare kṛṣṇa hare kṛṣṇa
kṛṣṇa kṛṣṇa hare hare
hare rāma hare rāma
rāma rāma hare hare

Zu guter Letzt diesbezüglich noch eine Buchempfehlung von mir, insbesondere zum Chanten der Heiligen Namen Krishnas (bislang nur auf Englisch, eine deutsche Übersetzung ist aber bereits angedacht): Nama Tattva, The Principles behind the Holy Name von Shri Satyanarayana Dasa Babaji. Es gibt meines Wissens keine bessere Abhandlung zum Thema Heiliger Name als dieses unscheinbare Büchlein, in dem auf nur 56 Seiten der Heilige Name in aller Tiefe erklärt wird. Erhältlich über die Jiva-Seite: https://store.jiva.org/books/4

Weitergehende Ausführungen zu Bhakti

Wer das alles bisher gut verdauen konnte, und noch weiter in die Tiefe gehen möchte, dem seien auch noch die nachfolgenden Ausführungen zu Bhakti wärmstens empfohlen.

Kerncharakteristik von Bhakti ist der Dienst für Shri Krishna,

bestehend aus völliger Hingabe von Körper, Geist und Sprache. Im Bhakti Sandarbha zeigt Shri Jiva Gosvami anhand seiner Analyse des Shrimad Bhagavatam auf, dass die Höchste Realität durch Bhakti erfahren werden kann. Jiva Gosvami erläutert, dass Gott drei Arten von Energien besitzt, nämlich die innere (Svarupa-shakti), die äußere (Maya- oder Bahiranga-shakti, die materielle Welt) und die dazwischenliegende oder intermediäre Energie (Tatasthata-shakti), die Lebewesen. Bhakti ist die innere Energie Shri Bhagavans und ist folglich sowohl der äußeren wie auch intermediären Energie überlegen.

Die äußere Energie kann ihren Einfluss wohl über die Lebewesen (Jivas) ausüben, nicht jedoch über die innere Energie. Daher können sich die Jivas dem Einfluss Mayas nur entziehen, wenn sie von der inneren Energie erfüllt werden.

Handlung (Karma) und Wissen (Jnana) sind beide Produkte der materiellen Natur und von daher nicht geeignet, die Jivas von ihren Problemen zu befreien. Karma bedeutet, seinen von den Schriften vorgegebenen Pflichten zu folgen, was entweder materiell motiviert oder selbstlos sein kann. Als Jnana wird die Kultivierung von Wissen bezüglich der Unterscheidung zwischen Bewusstsein und Materie bezeichnet.

Karma Veda himmlische Planeten

Durch das akribische Praktizieren von Karma kann man die himmlischen Planeten erreichen, wo man so lange ein genussvolles Leben führen kann, bis das Guthaben der frommen Handlungen aufgebraucht ist. Danach folgt die Wiedergeburt auf der Erde.

Karma kann also niemals zu Gottesverwirklichung führen.

Warum empfiehlt der Veda dennoch Karma? Für Menschen, die stark an den Früchten ihrer Handlungen hängen, ist eine langsame und schrittweise Praktik ratsam. Wenn aber jemand ohne materielles Motiv Karma ausübt, wird er Loslösung erfahren, und in diesem Fall dient Karma als ein Sprungbrett zum Pfad des Wissens, Jnana. 

Karma führt somit nicht zur endgültigen Befreiung, sondern mündet in der Regel in einen anderen Pfad.

Bhakti hingegen setzt sich fort, auch über die Stufe der Vollkommenheit hinaus

Bhakti kann von allen Menschen ausgeführt werden, jederzeit, allen Orts und unter jedweden Bedingungen. Dies unterscheidet Bhakti von den Pfaden des Karma, Jnana und Yoga, die alle ihre jeweiligen Einschränkungen haben. Ebenso wie Bhagavan selbst, so ist auch Bhakti in höchstem Maße unabhängig. Wenn jemand Bhakti besitzt, werden Wissen und Loslösung sogar als Begleiterscheinungen auftreten.

Ein weiteres Merkmal von Bhakti ist, dass sie nicht nur ein Mittel zur Erreichung des Zieles ist, sondern auch auf der Stufe der Vollkommenheit fortbesteht und an Intensität unaufhörlich zunimmt. Daher praktizieren selbst befreite Seelen Hingabe zu Krishna. Im Gegensatz zu Jnana und Yoga wird Bhakti nach Erlangung der Vollkommenheit nicht aufgegeben, sondern noch intensiver und frei von materiellen Motiven ausgeübt. Bhakti ist durch nichts zu bremsen (apratihata), da sie sich jenseits von materieller Freude oder materiellem Leid befindet. Im Unterschied zu Karma and Jnana erfüllt sie einen bereits während der Ausübung mit großer Freude und beschert letztlich die höchste Glückseligkeit.

Bhakti ist die Hladini-shakti oder Freudenenergie Bhagavans, die Bestandteil seiner inneren Energie und nicht verschieden von seinem eigenen Wesen (Svarupa) ist. Um den Lebewesen und auch sich selbst Freude zu bereiten, lässt Er ihnen diese Hladini-shakti zuteil werden. Die Freude, die Gott erfährt, hat daher keinen äußeren Ursprung, sondern entstammt vielmehr Seiner eigenen Svarupa.

Drei Unterteilungen von Bhakti

Jiva Gosvamis Lehrer Rupa Gosvami hat Bhakti in drei Kategorien unterteilt:

Sadhana, Bhava und Prema

Sadhana-bhakti ist das, was mit Hilfe der Sinnesorgane ausgeübt und über die Sinne verwirklicht wird. Es bedeutet Hingabe in der Praxis, und ist ein Mittel, um Bhava-bhakti, die Vorstufe der vollendeten Gottesliebe, zu erlangen.

Sadhana wird üblicherweise als Mittel bezeichnet, das einem bestimmten Zweck dient und aufgegeben wird, sobald das Ziel erreicht ist. Sadhana-bhakti hingegen ist kein Sadhana im gewöhnlichen Sinne: Zum einen ist nämlich die Praktik an sich nicht die Ursache von Bhakti, denn Bhakti erlangt man nur durch die Gnade Gottes bzw. eines Devotees. Zum anderen wird Bhakti auch dann noch praktiziert, wenn man die reife Stufe von Sadhana-bhakti, Bhava-bhakti, erlangt hat. Diese Art der Bhakti manifestiert sich durch liebevolle innere Gefühlsregungen gegenüber Krishna.

Bhava ist die Morgenröte von Prema, der dritten und vollkommenen Stufe von Bhakti. Diese tritt ein, wenn Bhava sich verstärkt und verdichtet. Es ist ein innewohnendes Gefühl tiefer Liebe gegenüber Bhagavan, welches das Herz erweichen lässt.

Prema generiert exklusive Anhaftung in reiner Hingabe, die niemals wieder schwindet oder sich verringert.

Die zwei Unterteilungen von Sadhana-bhakti

Sadhana-bhakti ist von zweierlei Natur:

Vaidhi und Raganuga

Wenn die Ausübung hingebungsvoller Tätigkeiten ausschließlich durch Regeln und Vorschriften der heiligen Schriften motiviert wird, bezeichnet man dies als Vaidhi-bhakti. In diesem Fall existiert keinerlei natürliche Anziehung (Raga).

Von Rupa Gosvami werden 64 Angas oder Glieder von Vaidhi-bhakti beschrieben. Die Glieder der Vaidhi-bhakti beschäftigen Körper, Geist und Sinne im Dienste Bhagavans und selbst schon ein zarter Ansatz einer dieser Tätigkeiten kann zu Bhava-bhakti führen. Die fünf Wichtigsten davon sind wie folgt:

  • Gemeinschaft mit Devotees zu pflegen
  • Die heiligen Namen Krishnas zu chanten
  • Aus dem Shrimad Bhagavatam zu hören
  • Im heiligen Land von Mathura zu leben
  • Der Arca-vigraha mit Liebe zu dienen

Die zweite Art von Sadhana-bhakti wird als Raganuga bezeichnet, was bedeutet, der Gemütsstimmung der Ragatmikas (ewigen Gefährten Krishnas) zu folgen. Ragatmikas haben eine natürliche Anziehung und eine durch ihre starke Liebe bedingte tiefe Versunkenheit in Krishna. Durch den Kontakt mit einem solchen Ragatmika-Devotee – beispielsweise durch das Hören über ihn/sie, beginnt sich der Sadhana-bhakta danach zu sehnen, Krishna auf gleiche Weise zu dienen wie sein Vorbild. Wenn diese Sehnsucht den Antrieb für die Betätigung im hingebungsvollen Dienst darstellt, wird dies als Raganuga-sadhana bezeichnet. Raganuga drückt sich in den natürlichen, tiefen Empfindungen des Bhaktas aus und wird nicht von äußerlichen Regeln motiviert.

Vaidhi-sadhana-bhakti jedoch ist abhängig von den Regeln und Vorschriften der Schriften und wird nicht notwendigerweise mit liebevollen Empfindungen ausgeführt. Dies kann durch folgendes Beispiel veranschaulicht werden:

Bhakti Yoga Raganuga-Devotee

Eine Mutter hat eine innewohnende Zuneigung für ihr Kind, welche der Antrieb für ihre Handlungen ist. Sie handelt nur zum Wohle des Kindes, selbst wenn sie nicht darin geschult ist. Einer Tagesmutter hingegen fehlt diese natürliche Zuneigung. Ihre Motivation ist ihr Einkommen. Ihre Handlungen mögen sich nicht von denen der Mutter unterscheiden. Sie mag sich sogar noch besser als die Mutter mit der Pflege eines Kleinkindes auskennen und diese sehr gewissenhaft durchführen, und dennoch bleibt ihre Fürsorge letztlich Arbeit für sie.

In ähnlicher Weise hat der Raganuga-Devotee natürliche Freude am Ausüben seines Dienstes und geht ganz darin auf. Die Regeln in den Schriften, die Bhakti empfehlen, sind nicht der Antrieb seines Handelns. Er folgt ihnen zwar, ist aber nicht auf sie angewiesen, um Krishna liebevollen Dienst darzubringen.

Exklusives Hingezogensein zum Höchsten

Bhava-bhakti und Prema-bhakti können sowohl aus Vaidhi- als auch als Raganuga-sadhana-bhakti entstehen. Da sie jedoch von der ursprünglichen Motivation geprägt sind, ist Vaidhi auch auf der vollkommenen Stufe noch Raganuga-bhakti unterlegen.

Prema wird auch als Priti bezeichnet. Diese höchste Manifestation von Bhakti und wird als das summum bonum, das höchste Ziel des Lebens bezeichnet. In Priti gibt es absolut keinerlei Spur mehr irgendeines Verlangens nach eigener Sinnesbefriedigung. Die Liebe und Hingabe des Devotees erreichen eine Ebene, auf der er sich selbst vollständig vergisst, während er sich mit seinem Geliebten, Shri Krishna, identifiziert.

Alle Objekte neigen dazu, sich in Richtung ihres Ursprungs zu bewegen, so wie das Wasser stets zum Ozean fließt. Wenn man eine Kerze anzündet, richtet sich die Flamme nach oben, empor zur Sonne, wie die Luft, die sich kontinuierlich zum Himmel bewegt.

Pritt höchste Manifestation von Bhakti 

Wenn man jedoch einen Gegenstand hoch in die Luft wirft, kehrt er zurück zur Erde. Er wird erst dann zur Ruhe kommen, wenn er die Erde – seinen Ursprung – erreicht hat.

In ähnlicher Weise kann Bhakti wie ein Fluss verstanden werden, der während der Regenzeit intensive Kräfte entfaltet, um sein Ziel zu erreichen.

Bhagavan ist die Quelle aller Lebewesen

Wenn eine Person einmal ihre Identität erkannt hat, ist ihr gesamter Geist nur noch auf Bhagavan ausgerichtet.

Bhagavan ist die Quelle aller Lebewesen

und daher ist es deren natürliche Neigung, mit Ihm in Liebe vereint zu sein.