Willkommen im Forum

Liebe Besucher,
Liebe Devotees,

nach monatelanger intensiver und freudiger Arbeit an dieser Webseite zusammen mit unserer Webdesignerin bin ich sehr glücklich, dass nun alles soweit vollendet ist. Heute am 9.9.2016
ist zudem der Erscheinungstag von Shrimati Radharani, ein äußerst glücksverheißender Tag
für die Premiere unseres Forums und dieser Webseite als Ganzes.

Anstelle von Verhaltensregeln möchte ich einfach alle TeilnehmerInnen höflich darum bitten,
nett zueinander zu sein und auch bei Meinungsverschiedenheiten – die naturgemäß immer irgendwann bei Diskussionen auftreten werden – stets den guten Ton zu wahren.

Ich freue mich auf einen regen Austausch.

Euer Vedanta

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Wie man die Gita studiert

Vorlesung über Hinduismus (Teil 8)
SH Shri Satyanarayana Dasa Babaji Maharaja

Wir lesen aus der Bhagavad Gita, 1. Kapitel. Wir beginnen mit dem ersten Vers. Der erste Vers wird von König Dhritarashtra, dem Vater der 100 Kaurava-Brüder gesprochen. Unter ihnen war Duryodhana der Älteste und er war es, der das Königreich nicht an die Pandavas zurückgeben wollte. Nun hatten sich beide Armeen in Kurukshetra versammelt. Dhritarashtra war blind und natürlich wollte er alle Neuigkeiten wissen. Er hatte einen Minister namens Sanjaya, der ihm als persönlicher Assistent und Sekretär diente. Bevor die Schlacht begann, hatte der Vater von Dhritarasthra, Vyasa, ihn aufgesucht. Vyasa versuchte, ihm ein letztes Mal nahezulegen:

Warum willst du diesen Krieg?
Deine Familie wird zerstört werden.
Du solltest ihnen lieber ihr Königreich zurückgeben.

Dhritarashtra hingegen war damit nicht einverstanden. Darauf machte ihm Vyasa ein Angebot:

Wenn du willst, kann ich dir Sicht verleihen dergestalt,
dass während du hier in deinem Palast sitzt,
du alle Geschehnisse auf dem Schlachtfeld beobachten kannst.

Das ist in etwa so, wie wenn ihr in eurem Zimmer beim Fernsehen sitzt und euch die Live-Übertragung eines Fußballspiels anschaut. Mit anderen Worten würde Dhritarashtra einen Live-Stream von allem sehen. Doch Dhritarashtra lehnte auch dies ab mit den Worten:

Ich bin mein ganzes Leben blind gewesen.
Was ist der Sinn, jetzt zuzusehen,
wenn meine Familienmitglieder getötet werden?

So ist die menschliche Natur. Wenn du etwas hast, gewöhnst du dich irgendwann daran - auch wenn es sich um eine Behinderung handelt, du wirst dich auch daran gewöhnen. Der Mensch ist Veränderungen gegenüber im Allgemeinen abgeneigt.

Dhritarashtra weigerte sich also, diese Sicht zu bekommen. Aber er fuhr fort:

Obwohl ich es nicht sehen will,
würde ich es aber gerne hören.
Du kannst daher meinem Sekretär diese Kraft verleihen,
damit er das dortige Geschehen kommentieren
und mich auf dem Laufenden halten kann.

Deshalb wurde Sanjaya durch den Weisen Vyasa die Macht verliehen, alles zu sehen. Und nicht nur alles zu sehen, er würde auch die Gedanken der Personen auf dem Schlachtfeld kennen. Normalerweise, wenn man ein Live-Spiel im Fernsehen beobachtet, kann man nur das sehen, was passiert, man weiß aber nicht, was die jeweiligen Spieler denken. Doch Vyasa fügte hinzu:

Nicht nur wirst du alles sehen können
und dabei nicht nur auf einen Teil fokussiert bleiben,
d.h. was auch immer du sehen willst, wirst du sehen können.
Darüber hinaus wirst du aber auch genau wissen,
was im Kopf der Leute vor sich geht, die auf dem Schlachtfeld sind.
Wenn du beispielsweise wissen willst,
was Arjuna oder Duryodhana gerade denken,
was sie gerade vorhaben ... du wirst alles wissen.

Hier im ersten Kapitel der Bhagavad Gita, auf Dhritarashtra's Frage hin, beschreibt ihm Sanjaya jetzt all dies.

dhṛtarāṣṭra uvāca
dharma-kṣetre kuru-kṣetre samavetā yuyutsavaḥ
māmakāḥ pāṇḍavāś caiva kim akurvata sañjaya

König Dhṛtarāṣṭra sprach:
O Sañjaya, was taten meine Söhne und die Söhne Pāṇḍus, die sich kampfbegierig im heiligen Land von Kurukṣetra versammelt hatten?

- Bhagavad Gita 1.1

Also das ist die Frage. Und diese Frage wird von einem Blinden gestellt. Für einen Blinden ist es natürlich Fragen zu stellen, weil er eben nicht sehen kann. Aber die Frage ist sehr wichtig. Wenn man sich die Übersetzung des Verses ansieht, ist sie sehr einfach. Jedoch ist Sanskrit eine sehr schöne Sprache, und so können Worte viele Bedeutungen haben und man kann mannigfaltige Bedeutungen aus diesen Versen herleiten. Natürlich scheint diese Frage ein wenig rhetorisch oder gar überflüssig zu sein, denn er selbst sagt ja bereits samavetā yuyutsavaḥ, sie versammelten sich um zu kämpfen. Yuyutsavaḥ bedeutet, dass sie bereit sind zu kämpfen. Nun, wenn sie bereit sind zu kämpfen, was werden sie dann tun? Spielen oder ein Fest feiern? Sie werden kämpfen! Also, was soll diese Frage, dass sie sich dort versammelten, um zu kämpfen, was werden sie tun? Wenn sie sich versammelten, um zu kämpfen - und es ist außerdem wohlbekannt, dass sie kämpfen werden - also kämpften sie! Er hätte die Frage anders stellen sollen: Sie versammelten sich zu kämpfen, wie ist der Kampf verlaufen? Indem er aber fragte, was haben sie getan, impliziert das, dass sie vielleicht etwas anderes getan haben als zu kämpfen. Tun kann ja alles Mögliche sein. Haben sie sich dort entspannt, oder hatten sie vielleicht einen philosophischen Diskurs ... was haben sie dort gemacht? Das ist daher eine sehr interessante Frage von einem Blinden.

Vor allem aber, wie ich bereits erklärt habe, sind die Geschichten dazu da, um uns zu lehren. Obwohl in der Geschichte die Blindheit tatsächlich körperlicher Natur ist, ist es doch mehr die Blindheit der Unwissenheit. So wie wir manchmal zu jemandem sagen:

Bist du blind, siehst du nicht?
Verstehst du das nicht?
Hast du nicht alle Latten am Zaun?

Blindheit ist hier aufgrund von Abhängigkeit. Die ganze Geschichte von Gita und Mahabharata dreht sich tatsächlich um das Thema Abhängigkeit. Wenn du an etwas hängst, dann wirst du dadurch konditioniert. Was bedeutet das eigentlich, Konditionierung? Konditionierung bedeutet, dass jetzt deine reine Sichtweise voreingenommen wird. Du wirst etwas sehen, was nicht da ist, und du wirst etwas anderes nicht sehen, was da ist. Das ist die Konditionierung. Wenn du voreingenommen bist, dann beurteilst du die Dinge nicht richtig. Du tust dann Unrecht. Deshalb steht im Gerichtswesen als Symbol für Gerechtigkeit die Dame mit einer Augenbinde. Warum hat sie eine Augenbinde, was heißt das? Es sieht sehr seltsam aus, dass jemandem, der Recht sprechen soll, die Augen verbunden sind. Wenn ihre Augen verbunden sind, kann sie doch nichts sehen? Die Bedeutung ist, dass sie nur hören sollte, was gesagt wird, frei von Vorurteilen. Wenn du jemanden siehst, dann denkst du vielleicht, dass diese Person nett aussieht, jene Person hässlich ist, die andere mitfühlend wirkt oder aber grausam aussieht. Aber wenn du hörst, dann hörst du einfach nur zu, du sieht nichts. Die zu Grunde liegende Absicht des Verbindens beider Augen ist also die Unvoreingenommenheit, denn nur so kannst du ein gerechtes Urteil fällen.

In gleicher Weise sind auch Dhritarashtras Augen verbunden, aber aus einem anderen Grund, weil er die Realität nicht sehen will. Denn wenn deine Augen verbunden sind, funktioniert das in beiden Richtungen: du siehst das Gute nicht, und du siehst auch das Schlechte. Er will das Gute nicht sehen. Er will nicht sehen, wie die Pandavas von seinen Söhnen ausgenutzt werden. Deshalb ist er blind, weil er an seinen Söhnen hängt. Wenn du an jemandem hängst, siehst du gute Eigenschaften in dieser Person. Und wenn es jemanden gibt, der dieser Person schaden will, dann sieht man bei ihm alles schlecht, obwohl es vielleicht gerade umgekehrt ist. Das ist die Bedeutung, blind zu sein. Sein Urteilsvermögen ist durch Abhängigkeit geblendet. Jetzt kann er nicht klar denken, aber als König wäre es seine Pflicht, unvoreingenommen zu sein, weil der Posten des Königs in der Vergangenheit auch den Posten eines Richters beinhaltete. Der König verkündete auch Gerichtsurteile. Darum kann er nicht allein seine eigenen Söhne gegenüber den Söhnen seines Bruders begünstigen. Deshalb ist er blind, weil er die Wahrheit nicht sehen kann. Er ist nicht blind im Sinne von Unbefangenheit. Und deshalb stellt er auch diese Frage, weil er sich Sorgen macht, ob sich seine Söhne sich womöglich ergeben können. Aus diesem Grund auch die Verwendung des Wortes Dhārma-kṣetre. Das erste Wort der Bhagavad Gita in diesem Vers ist Dhārma-kṣetre, was das Land von Dhārma bedeutet. Kṣetra bedeutet Land oder Feld. Und Dhārma sind die Prinzipien der Gerechtigkeit. Dhritarashtra denkt, weil diese Schlacht auf dem Feld der Gerechtigkeit stattfindet:

Vielleicht beeinflusst dieses Feld meine Söhne
und sie beschließen, das Königreich zurückzugeben
.“

Und das wollte er aber nicht. Das ist der Grund, warum er sagt Dhārma-kṣetre kuru-kṣetre, ansonsten gab es keinen Grund für ihn, das Wort Dhārma-kṣetre zu benutzen. Er hätte einfach fragen können, dass meine Söhne und die Söhne Pandus haben sich in Kurukshetra versammelt, um zu kämpfen, was haben sie getan? Warum wurde das Wort Dhārma-kṣetra als Adjektiv von Kurukshetra verwendet? Das ist von Bedeutung. In diesen Versen werden die Worte sehr sorgfältig gewählt, sie werden nicht einfach so verwendet. Jene Leute, die die Bhagavad Gita eingehend studieren, studieren die Worte und sie versuchen zu verstehen, was die Bedeutung dieses Wortes hier ist und warum es verwendet wurde. Denn, offen gesagt, wenn man das Wort dhārma-kṣetre in diesem Vers nicht benutzt hätte, wäre nichts verloren gewesen. Und man hätte dennoch die Frage verstanden, dass er nämlich nur wissen will, was auf dem Schlachtfeld passiert ist. Warum also ist das Wort dhārma-kṣetre benutzt worden, welche Informationen gibt es uns?

So müssen wir studieren.

Weil Bhagavad Gita eine Schrift ist und unser Verständnis ist, dass in den heiligen Schriften kein Wort nutzlos sind, ganz zu schweigen von ganzen Sätzen oder Versen. Jedes Wort trägt einen gewissen Sinngehalt. Dies ist die Art und Weise, wie die Kommentatoren und auch die Studierenden der Gita versuchen, deren Bedeutung zu entflechten. Dhārma-kṣetre bedeutet, dass dieser Ort möglicherweise einen Einfluss auf die Leute haben könnte. Vielleicht wird ja sogar Yudhisthira selbst beeinflusst und beschließt, nicht zu kämpfen. Wenn nämlich er, als sehr religiöser Mensch, an einen derart religiösen Ort kommt, könnte er plötzlich entsagt werden und zu sich sagen:

„Ach, was soll‘s,
warum eigentlich soll ich meine Familienangehörigen
um des Königreichs willen töten? Das ist nicht richtig!“

Auf diese Weise könnte er vom Kampf ausscheiden, und es würde keine Schlacht geben. Das ist die Bedeutung dieses Wortes.

Und dann gibt es aber eine weitere Bedeutung. Das Wort Kṣetra bedeutet auch unseren menschlichen Körper. Im 13. Kapitel sagt das Krishna Selbst:

śrī-bhagavān uvāca
da śarīra kaunteya   kṣetram ity abhidhīyate
etad yo vetti ta prāhuḥ   kṣetra-jña iti tad-vidaḥ 

Śrī Bhagavān sagte:
Dieser Körper, o Sohn von Kuntī, heißt das Feld (Kṣetra). Die Kenner der Wirklichkeit bezeichnen denjenigen, der das Feld kennt (oder der es verwirklicht hat), als Kenner des Feldes (Kṣetrajña).

Bhagavad Gita 13.1
(in Bengali-Editionen der Bhagavad Gita: 13.2)

Das ist die übertragene Bedeutung, dass nämlich unser menschlicher Körper das Handlungsfeld ist - Kurukshetra. Kuru bedeutet Handeln, also ist er das Handlungsfeld. Und er ist auch Dhārma-kṣetra, d.h. das Feld, wo wir Dhārma ausführen können. Und die Schlacht geht auch in diesem Körper weiter, weil es zwei Seiten in uns gibt, die gute Seite und die schlechte Seite. Wie ich gestern gesagt habe, schlummern alle Arten von Gefühlen, Emotionen und Eigenschaften in uns. Liebe ist in uns ebenso wie Hass. Du liebst jemanden, du hasst jemanden, du magst jemanden, du magst jemanden nicht - alle diese Emotionen sind im Inneren. Du bist wohltätig, du bist aber auch gierig Du bist nett, und du bist auch wütend. Die Samen all dieser Emotionen liegen in uns. Und viele Male entsteht eine Spannung zwischen ihnen. Ihr habt vielleicht in eurem Leben diese Spannungen bereits erfahren. In unserem Kopf tobt ein Kampf.